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Malu, Marvin und die Kinder aus Morbach – Stefan Gemmel im Interview

23. Oktober 2019

Morbach. Vor sechs Wochen hat Stefan Gemmel in der Einheitsgemeinde die Aktion gestartet: „Deutschlands Kinder lesen ein Buch“. Der gebürtige Hunsrücker möchte möglichst viele junge Menschen zu Leseratten machen. Die Resonanz ist riesig.

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Mit der jüngsten Aktion zieht Stefan Gemmel erneut Tausende von Kindern in seinen Bann.

Der Kinder- und Jugendbuchautor Stefan Gemmel ist für originelle Aktionen bekannt. Der gebürtige Morbacher hat mit zwei Projekten vor jeweils mehr als 5000 Kindern das bis dahin größte Publikum bei einer Lesung eines einzelnen Autors erreicht und damit die Aufnahme ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft. 2015 hat er die schnellste Lesereise der Welt gemacht: 82 Lesungen in 13 Tagen, 10 Stunden und sieben Minuten in ganz Deutschland – damals machte er auch Station in Morbach. Jetzt hat er seine neuestes Projekt gestartet (der Volksfreund berichtete). Wir haben nachgefragt, wie es läuft.

Sie haben mit Mitstreitern ein neues Projekt ins Leben gerufen: „Deutschlands Kinder lesen ein Buch“. Was ist das, kurz erklärt, für ein Projekt? Wer ist da mit an Bord?

Stefan Gemmel: Hintergrund für diese aufwändige Aktion ist das zehnjährige Bestehen des Bundesverbandes für Leseförderung. Zusammen mit Eva Pfitzner von der Agentur Leserattenservice, mit der ich auch schon die beiden Lese-Weltrekorde bestreiten konnte, haben wir ein ungewöhnliches Programm entwickelt, das alle Teilnehmenden einlädt, Literatur erfahrbar zu machen und gleichzeitig Teil eines riesigen Projektes zu sein. Wir möchten zeigen, dass Bücher ganze Massen begeistern können.

Und was ist das Ziel?

Gemmel: „Deutschlands Kinder lesen ein Buch“ ist ein bundesweites Lesefest, bei dem sich alle einbringen können. Ob Familien, Vereine, Freunde, Leseclubs, Schulklassen, Büchereien … – alle sind eingeladen, sich mit dem Buch zu beschäftigen. Denn wer einen Beitrag einreicht, bekommt die Chance, Preise zu gewinnen, die es nirgendwo zu kaufen oder sonst zu gewinnen gibt.

Was muss man machen, um teilzunehmen?

Gemmel: Dazu braucht man nur eine kleine Aktion zum Buch „Marvin – Das Buch aus Feuer und Freundschaft“ (Carlsen) zu starten. Ob Kinder ein eigenes Cover entwickeln oder eine eigene Szene schreiben, ob sie neue Figuren erfinden oder aus einer der Szenen in ihr Handy einlesen – den eigenen Ideen sind keine Grenzen gesetzt. Alle Informationen finden sich unter www.deutschlands-kinder-lesen.de. Dort findet man unter „Mitmachen“ den Link zum Einschicken.

Warum machen Sie solche Aktionen? Lesen Kinder zu wenig?

Gemmel: Es gibt zum Glück sehr viele Kinder, die gern und regelmäßig lesen. Doch dem gegenüber stehen ebenfalls zahlreiche Kinder, die den passenden Zugang zum Buch noch nicht für sich entdeckt haben. Dort setzt unser Projekt an.
Wir möchten Eltern, die sich fragen, wie sie ihre Kinder zum Lesen bewegen können, neue Möglichkeiten bieten, sich gemeinsam dem Buch zu nähern. Kinder, die lesen, können sich viel besser konzentrieren, sind empathischer und können schneller Lösungsprozesse für Probleme entwickeln, weil sie dies durch ihre Bücherhelden gelernt haben.

In dem Projekt lesen tatsächlich alle Kinder, die sich beteiligen, ein Buch, und zwar eines von Ihnen.

Gemmel: „Marvin – Das Buch aus Feuer und Freundschaft“ bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich damit auseinanderzusetzen. Es wimmelt darin von verrückten, ungewöhnlichen, überraschenden Figuren, zu denen Bilder gemalt oder eigene Geschichten geschrieben werden können. Einige Szenen lassen sich ganz leicht zu kleinen Theaterpassagen umschreiben, die von den Teilnehmenden selbst gespielt werden können.

Lernen die Teilnehmer dabei auch etwas?

Gemmel: Ja, natürlich. Die Tatsache, dass eine der Buchfiguren Lügen verbreitet, um die eigene Macht zu stärken, bietet die Möglichkeit, sich auch politisch dem Text zu nähern. Gerade in der heutigen Zeit fände ich es klasse, wenn gerade das aufgegriffen werden würde. Vor allem aber die Tatsache, dass sich zwei der Hauptfiguren der Geschichte in ihrer eigenen Haut nicht so wohl fühlen, schafft einen wunderbaren Einstieg, mit Kindern ins Gespräch zu kommen, wie sie selbst solche Gefühle erleben und wie sie damit umgehen, denn ein solches Gefühl kennt ja jeder von uns – oftmals nicht nur aus der Kindheit.

Die Auftaktveranstaltung war in Morbach im Hunsrück, in Ihrem Geburtsort. Was war das Besondere daran?

Gemmel: Das Besondere war natürlich, dass unsere Schirmherrin, die Ministerpräsidentin Malu Dreyer, sich die Zeit nahm, um von ihren eigenen Lese-Erfahrungen zu berichten und sich mit den Kindern über das Lesen austauschen konnte. Über 500 Schüler füllten die Halle und nach einem kurzen Blick in das Buch und einem gemeinsamen Lesespiel sind sie alle schriftlich der Frage nachgegangen, was sie benötigen, damit sie mit Freude und Genuss ein gutes Buch lesen können. Einige dieser Ergebnisse wurden der Ministerpräsidentin direkt vorgetragen, so dass sie auch umgehend antworten konnte.

Wenn Sie in Morbach auftreten, ist das ja ein Heimspiel für Sie. Wie reagieren die Kinder?

Stefan Gemmel: Lesungen in der Heimat sind immer eine Achterbahn der Gefühle, denn zum einen sind diese Veranstaltungen ja Treffen mit Freunden und für Freude liest man besonders gern. Doch andererseits möchte man gerade bei Freunden, dass die Lesungen auch tatsächlich sitzen. Da versucht man aus den üblichen 100 Prozent schnell mal 120 Prozent herauszuholen. Aber dennoch ist gerade dieses heimatliche Gefühl eines, das ich sehr genieße. Ja, Morbach-Lesungen sind wie Wohnzimmerlesungen, bloß eben manchmal mit mehreren hundert Gästen im Haus.

Wie erfolgreich ist das Projekt bislang? Wie viele junge Leser machen mit?

Gemmel: Bisher wurden über 50.000 bestellte Leseproben verschickt. Das ist eine unglaublich hohe Zahl. Meine Hoffnung war, dass wir etwa 150 bis 200 Teilnehmer im ganzen Bundesland erreichen. Tatsächlich haben sich bisher 800 Familien, Schulen, Büchereien, Buchhandlungen, Lese-Initiativen, Vereine … angemeldet und jeden Tag gibt es weitere Anmeldungen. Wie viele Kinder das nun im Einzelnen sind, das können wir noch nicht sagen, aber unsere Erwartungen und Hoffnungen sind weit übertroffen worden.

Und wie funktioniert das?

Gemmel: Zum einen gibt es ja für alle die Möglichkeit, ihre Ideen und Projekte auf der Internetseite anzumelden und einzureichen. Doch wir wünschen uns ja einen direkten Austausch. Daher wird es mehrere Live-Schaltungen geben, also Internetkonferenzen, an dem sich bis zu 100 Teilnehmer einklicken können.
Bei diesen Konferenzen werde ich viel rund um das Thema Buch erzählen, werde die Lektorin des Buches vorstellen, Eva Pfitzner besuchen und interviewen, eine Druckerei aufsuchen und von dort berichten und vieles mehr. Gleichzeitig können die Kinder online Fragen stellen – und so entsteht ein direkter, persönlicher Kontakt mit allen interessierten Teilnehmenden. Die Termine für diese Live-Schaltungen stehen bereits fest und sind auf der Internetseite einsehbar.

Wie lange läuft die Aktion?

Gemmel: Bis Ende Januar können die Projekte der Teilnehmenden eingereicht werden. Die große Abschlussveranstaltung mit Bekanntgabe der Gewinner wird dann im März, zur Leipziger Buchmesse, stattfinden. Die Hauptgewinner werden dazu eingeladen.

Und haben Sie schon ein neues Projekt im Auge?

Gemmel: Tatsächlich tüfteln Eva Pfitzner und ich schon seit einiger Zeit an einem ganz originellen Projekt herum, das ich wahnsinnig gern umsetzen würde, aber da darf ich noch nichts verraten. Wir sind im Gespräch mit einem Groß-Sponsor.

Und erst, wenn diese Gespräche abgeschlossen sind, dürfen wir etwas bekanntgeben.

Zur Person

Stefan Gemmel

Der Kinder- und Jugendbuchautor Stefan Gemmel ist 1970 in Morbach geboren und lebt heute in Lehmen im Kreis Mayen-Koblenz. Er ist der meistübersetzte Autor in Rheinland-Pfalz und hat im Jahr 2007 als einer der jüngsten Deutschen überhaupt das Bundesverdienstkreuz bekommen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Quelle: 22. Oktober 2019, Trierischer Volksfreund, Ilse Rosenschild
Foto: Pfitzner Consulting and Photography/Pfitzner Consulting & Photograph

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